Denn das Pferd als Steppentier lief einst unzählige Kilometer am Tag bei dauernder Futteraufnahme von hartem und wenig gehaltvollem Steppengras. Das, was wir uns in unserer Phantasie erträumen – nämlich satte grüne Wiesen, auf denen das Pferd bestenfalls 24 h steht und frisst- hat leider so gar nichts gemein mit der Evolution unserer Tiere. Das Gras ist viel energie- und proteinreicher und die Textur schlichtweg zu weich. Dies ist so weit weg von der ursprünglichen Haltung, dass es bei bestimmten Tieren und Rassen sogar zu lebensbedrohlichen Gesundheitsproblemen führen kann. Die Fälle von Hufrehe oder dem Equinen metabolischen Syndrom aufgrund von Übergewicht steigen Jahr für Jahr an. Dies liegt sicherlich daran, dass die Forschung voran schreitet und Tierärzte besser geschult sind erste Anzeichen zu erkennen. Gleichzeitig scheint die Mehrheit der Menschen aber auch keinen Blick mehr für ein normal genährtes Pferd zu haben. Fast jeder nimmt ein normal, gesund genährtes Pferd als zu dünn wahr und füttert das eigene immer fetter, was mich als Pferdetierarzt zusehends verzweifeln lässt. Paradoxerweise sind die Folgen von Übergewicht ähnlich wie beim Menschen weit höher und gefährlicher als die des Untergewichts. Und die wenigen Reiter, die ein adäquat genährtes Pferd halten, erfahren in den Reitställen teils einen solchen Druck („Du musst dein Pferd auch mal füttern, das ist Tierquälerei“), dass sie sich entgegen ihrer Überzeugung irgendwann fügen, um nicht ständig im Kreuzfeuer zu stehen. Dabei müssen es nicht gleich solch gefährliche Krankheiten wie Hufrehe oder EMS sein.
In der natürlichen Fresshaltung nimmt das Pferd Futter vom Boden auf. In unseren Haltungen ist das meist aus Hygienegründen nicht gewollt und die Fütterung erfolgt auf Schulterhöhe und darüber, was logischerweise auf längere Sicht zu muskulären Umstrukturierung führt. Spätestens hier kommen nun auch die Zähne ins Spiel: nicht nur dass aufgrund fehlender Härte des Heus die Abnutzung geringer ist. Die hohe Zuckerzufuhr in Müslis, Obst und Leckerlies greift die Zahnsubstanz an und die unnatürliche Fresshaltung verändert die Ansprüche an das Gebiss. Die Extreme der Zucht ufern auch jedes Jahr weiter aus und während die Köpfchen bei einigen Rassen immer feiner gezüchtet werden, kommt die Entwicklung der Zähne hier nicht mehr hinterher. Schlussendlich hat man dann viel zu große Zähne in viel zu kleinen Kiefern. Für mich als Tierarzt für Pferde quasi eine traurige Arbeitsgarantie. Wenn das Pferd dann nicht funktioniert wie gewünscht kommen schärfere Gebisse und Ausbinder zum Einsatz.
Die Ursachen der Notwendigkeit eines Zahnarztbesuches, durchschnittlich alle 12 Monate, sind also vielfältig. Und weil sich unsere Ansprüche an unsere Tiere verändern, stellen diese wiederum gesteigerten Anforderungen an die medizinische Versorgung durch uns Pferdetierärzte.
Was kostet eine Zahnbehandlung beim Pferd?
Eine normale (Erst)behandlung in Sedation bei durchschnittlichem Medikamentenverbrauch kostet meist zwischen 240 und 260 Euro brutto zzgl. Anfahrt und inklusive Hausbesuchsgebühr. Mit in Kraft treten der neuen Gebührenordnung der Tierärzte vom 23.11.2022 wurde der Posten Hausbesuchsgebühr mit aufgenommen, der verpflichtend (Die GOT ist ein Gesetz, ein Verstoß eine Straftat) pro Besitzer pro Besuch abzurechnen ist – unabhängig davon wie viele Besitzer in einem Stall dabei sind und wie weit der Stall entfernt ist. Bitte beachtet: die GOT beinhaltet immer (!) Nettopreise, ihr müsst für den Endpreis also stets noch 19% Umsatzsteuer dazu addieren.
Nach der neuen GOT ist ein Besuch im Stall, egal wie aufwendig oder wenig aufwendig die Behandlung ist, nicht mehr unter 85,62 Euro brutto möglich. Dies setzt sich wie folgt zusammen:
13 Euro Mindestgebühr Wegegeld, 34,50 Euro Hausbesuchsgebühr und eine Untersuchung (im günstigsten Falle eine Folgeuntersuchung für 24,62 Euro, meistens eine Allgemeine Untersuchung für 30,78 Euro ) zuzüglich 19% Umsatzsteuer, alles bezogen auf den einfachen Gebührensatz. Im Notdienst ist mindestens der zweifache Satz abzurechnen, der Tierarzt darf aber stets frei zwischen dem einfachen bis vierfachen Satz wählen. Außerhalb der Zahnbehandlungen rechne ich in meiner Praxis nach dem 1,2 fachen Satz ab.
„Können Sie mal eben draufsehen“ ist also nicht mehr unter diesem Betrag machbar, auch wenn ich bereits im Stall bin!
Einzige Ausnahme: stellt ein Besitzer mehrere Pferde vor, wird die Hausbesuchsgebühr (analog ist die Regelung für die Notdienstgebühr von 59 Euro) nur einmal fällig. Bei der Zahnbehandlung verringern sich die oben angegebenen Kosten einer Behandlung ab dem zweiten Pferd eines Besitzers folglich jeweils um 34,50 Euro netto.
Bei einer Augenproblematik beispielsweise kommen dann noch die spezielle Untersuchung Auge, die Diagnostik und die Medikamente dazu. Insgesamt sind die Kosten also erheblich gestiegen, ein Besuch unter 100 Euro, auch im regulären Dienst, ist daher kaum mehr möglich. Bitte stellt euch darauf ein und erwartet nicht, dass sich der Tierarzt zu Gunsten eures Geldbeutels strafbar macht und damit seine Approbation riskiert. Die zuständigen Aufsichtsbehörden haben bereits genaue Überprüfungen der Einhaltung der neuen GOT und empfindliche Strafen im mindestens vierstelligen Bereich angekündigt!
Besonderheiten wie Wolfszahnextraktionen oder das Säubern eines Diasthemas sind in den Grundkosten der Zahbehandlung nicht inbegriffen. Bei unkooperativen Pferden, die einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand in der Behandlung oder auch beim Spritzen erfordern, sowie sehr gut trainierte Pferde mit dadurch bedingtem deutlich höherem Medikamentenverbrauch können den Betrag ebenfalls überschreiten. Bei Extraktionen lohnt sich immer eine Nachfrage bei der OP Versicherung, sofern ihr eine abgeschlossen habt. In den guten Tarifen sind Zahnextraktionen oder das Nähen einer Wunde zum Beispiel mit eingeschlossen, was viele Besitzer gar nicht wissen. Ist also eine Zahn OP notwendig oder am Feiertag eine Verletzung passiert, die genäht werden muss, lohnt sich eine Nachfrage bei der dringend anzuratenden OP Versicherung (auch unsere Pferde sind alle OP versichert!).
Einzelzahntermine biete ich anders als viele meiner Zahnkolleginnen und -kollegen noch an, jedoch berechne ich hierfür einen Einzelpferdezuschlag, abhängig von Entfernung und Zeitaufwand. Hintergrund: der Auf-und Abbau meines Equipments kostet mich vor der Behandlung circa 20 Minuten, danach mit Säubern und Desinfektion circa 30 Minuten. Dieser Aufwand ist identisch, egal ob ich ein oder fünf Pferde behandle. Vielen Kolleginnen und Kollegen ist dieser Aufwand zu hoch. Da ich es persönlich wichtig finde auch weiterhin Einzeltermine anzubieten, ist der Einzelpferdezuschlag ein Kompromiss aus Wirtschaftlichkeit und dem Service auch einzelne Pferde zu besuchen. Für die Kosten in Eurem individuellen Fall sprecht mich bitte an.
Die Kosten der Behandlung müssen im Anschluss bar oder per EC-Karte bezahlt werden. Natürlich erhalten Sie hierfür einen Beleg. Eine Zahlung auf Rechnung ist ausschließlich meinen Stammkunden vorbehalten.
Warum muss mein Pferd jedes Mal sediert werden?
Es muss nicht zwangsläufig sediert werden– wenn die Kauflächen und Schneidezähne keine Auffälligkeiten zeigen, so können mit Handraspeln und bei entsprechender Kooperation des Pferdes die Schärfen und Kanten ohne Sedierung genommen werden. In den meisten Fällen ist dies aber erst ab einem gewissen Alter möglich und erfordert zudem eine gute Ausbildung und ein sicheres Handling des Pferdezahnarztes, wenn in den Jahren zuvor eine solide Grundarbeit geleistet wurde.
Immer wieder gibt es Laienbehandler, die versuchen zu suggerieren, dass ein Arbeiten ohne Sedierung ein Qualitätsmerkmal ist. Dies ist ein absoluter Trugschluss, eher das Gegenteil ist der Fall!
Pferdebesitzer hören dies aber durchaus gern, sind doch auch die Kosten fast um die Hälfte oder sogar mehr geringer.
Fakt ist aber: dies ist hochgradig unseriös und entspricht nicht dem modernem Standard der Medizin. Eine ausreichende Beurteilung der Maulhöhle mit sorgfältiger Untersuchung ist nur mit Sedierung und Maulgatter möglich. Alles andere ist „Fischen im Dunkeln“! Ich habe aufgehört zu zählen, wie viele Pferde ich 6-8 Wochen nach einer solchen Laienbehandlung ohne Sedierung schon vorgestellt bekam, weil Fress-und Rittigkeitsprobleme nicht verschwunden waren. Bei der Befundaufnahme in Sedation sieht man dann unzählige Probleme, die weder erhoben noch behandelt wurden, weil es schlichtweg ohne Sedierung nicht möglich war.
Nur mit Maulgatter und entsprechender Ausleuchtung können zuverlässig und sicher alle Befunde erkannt werden. Am Ende zahlt man also meist drauf, nach zwei bis drei Jahren in den Händen dieser Behandler kommt dann nicht selten sogar das ganz böse Erwachen: der Besitzer hat mit bester Absicht jedes Jahr die Zähne behandeln lassen, kann aber die Qualität nicht beurteilen und sich durch „keine Sedierung“ blenden lassen. Plötzlich gibt es gravierende Probleme, ein Tierarzt mit Zahnqualifikation wird aufgesucht und es laufen hohe Kosten auf, um das zu kompensieren, was die Jahre zuvor durch die kategorische Behandlung ohne Sedierung versäumt wurde. Es ist also defintiv am falschen Ende gespart, wenn man unbedingt die Kosten für eine Sedierung vermeiden will.
Abgesehen davon spielt hier noch ein zweiter Faktor mit hinein, der gerne unter den Tisch fallen gelassen wird: Ein Pferd, welches mit Maulgatter plötzliche Abwehrbewegungen zeigt, gefährdet in großem Maße Besitzer und Tierarzt. Man stelle sich nur vor, mit dem soliden Metall im Gesicht getroffen zu werden – leider kam es hierdurch auch schon zu Todesfällen.
Seit neustem gibt es nun sogar auch Laienbehandler, die mit elektrischer Raspel ohne Sedierung arbeiten. Hier sträuben sich mir alle Haare!
Die Verletzungsgefahr für das Pferd ist dabei enorm hoch – eine falsche Bewegung, weil eine die Fliege am Auge stört und man rutscht mit den scharfen Instrumenten ab. Bestenfalls setzt man eine Schleimhautläsion – im schlimmsten Falle trifft man eine der zahlreichen, sehr gut durchbluteten, großen Gefäße im Maul und die Situation wird ganz schnell lebensbedrohlich. Denn ein Pferd zu sedieren, dem soeben eine Arterie angerissen wurde und das in Panik verfällt, ist quasi unmöglich. Leider kam genau solch ein Fall im vergangenen Sommer in Brandenburg vor, der „Dentist“ hatte dann zu allem Übel auch keine Berufshaftpflicht. Neben dem Schmerz um das Tier erlitt die Familie zusätzlich auch noch einen nicht zu knappen wirtschaftlichen Schaden.
Aus Arbeitsschutzgründen für Pferd, Besitzer und Tierarzt ist folglich eine Arbeit mit Maschine ohne Sedierung absolut abzulehnen. Es ist immer anzuraten einen Pferdezahnarzt aufzusuchen, der sowohl die Möglichkeit hat das Pferd mit oder ohne Sedierung zu behandeln ohne an eines von beidem gebunden zu sein, als auch für den Falle eines Schadens entsprechend beruflich haftpflichtversichert ist.
Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein?
Für die Behandlung selbst muss ein regengeschützter, überdachter, im Herbst und Winter windgeschützter Unterstand mit festem Boden oder ein Stallgebäude vorhanden sein. Ein Stromanschluss ist unbedingt notwendig! Darüber hinaus werden drei Eimer, zwei davon mit Wasser gefüllt, und zwei Handtücher benötigt. Um das Dentalhalfter anzubringen muss entweder ein Haken in der Decke oder ein Balken zum Überwerfen des Seils zugänglich sein.
Das Pferd darf in den 3 Wochen vor der Sedierung nicht geimpft worden und muss klinisch gesund sein. Habe ich in der Voruntersuchung Zweifel, so lehne ich die Behandlung ab und es wird ein neuer Termin vereinbart. Eine aktuelle Tetanusimpfung und eine Haftpflichtversicherung (!) sind verpflichtend, dies muss mir jeder Besitzer vorher schriftlich bestätigen. Für den Patienten sollte im Sommer eine Fliegendecke und/oder Fliegenspray, im restlichen Jahr eine Abschwitzdecke bereit liegen. Nach der Behandlung sollten noch circa. 2-3 Stunden Zeit zur Nachversorgung eingeplant werden. Im Schnitt sind meine Patienten 45 min nach Ende der Behandlung wieder fressbereit, dies kann sich jedoch in Einzelfällen auch verlängern.
Außerdem bitte ich, dass zum vereinbarten Terminzeitpunkt nicht nur die notwendigen Dinge bereit liegen, sondern sich dass das Pferd aufgehalftert am Ort der Behandlung befindet und beispielsweise nicht erst von der Weide geholt werden muss. Drei bis viermal am Tag zwanzig Minuten auf dieses zu warten verlängert meine Wochenarbeitszeit erheblichst. Ich bitte um Verständnis, dass in solchen Fällen ein zusätzlicher Zeitfaktor abgerechnet wird.
Wann, wie oft und wo behandeln lassen?
Die Häufigkeit der Pferdezahnbehandlungen wird im Laufe eines Lebens üblicherweise immer weniger, sofern das Pferd von klein auf regelmäßige Zahnkontrollen erfahren hat. Begonnen wird frühestens mit drei Jahren (frühere Korrekturen kommen nur bei gravierenden Fehlstellungen der Zähne vor). In diesem Alter werden meist nur scharfe Kanten und Haken entfernt, die Schneidezähne bleiben zu diesem Zeitpunkt weitestgehend unangetastet. Generell gilt: vor dem ersten Kontakt mit einem Trensengebiss sollte jedes Pferd einmal einen Pferdezahnarzt sehen. Dieser zieht eventuell vorhandene, störende Wolfszähne, die sonst die ersten Arbeitserfahrungen gleich schmerzhaft werden lassen. Bis zu einem Alter von neun bis zehn Jahren sind die Bearbeitungsintervalle häufig noch kürzer – zwischen 6 und 12 Monaten. In dieser Zeit passiert noch viel im Maul und die Investition in die Zahngesundheit zahlt sich im Alter aus. Ab ca. 16 Jahren reicht dann oft eine Behandlung alle 14-18 Monate aus, mit fortschreitendem Alter sogar teils alle zwei Jahre. Ab 20 Jahren sollte trotzdem zumindest jährlich einmal die Maulhöhle durch einen Pferdezahnarzt untersucht werden um die altersbedingten Erkrankungen einzelner Zähne frühzeitig zu bemerken, auch wenn nichts korrigiert werden muss.
Wie lange dauert eine Behandlung?
Je nach Befunden im Schnitt zwischen 25 und 45 Minuten. Erstvorstellungen dauern nicht selten eine ganze Stunde, da ich mir hier stets Zeit nehme viel zu erklären und die Besitzer selbst fühlen zu lassen, wo die Probleme liegen. Denn ein Besitzer, der versteht, was der Tierarzt tut, ist wesentlich engagierter in der Zukunft und erleichtert für mich als Pferdezahnärztin auf Dauer die Arbeit sehr. Für Auf- und Abbau kommen ca. 30 Minuten hinzu.
Die optimale Sedierung ist für mich, wenn das Pferd am Ende der Behandlung bereits wieder ein Ohrenspiel zeigt und fast schon „wach“ erscheint. In der Regel sind meine Patienten 30-45 Minuten nach der Behandlung so wach, dass sie wieder fressen dürfen und auf die Koppel entlassen werden können. Individuelle Ausnahmen gibt es natürlich, insbesondere bei Erstbehandlungen, wenn ich noch nicht weiß wie mein neuer Patient auf die Sedierung reagiert. Generell sediere ich eher weniger tief und spritze lieber noch einmal nach.
Wie lange muss das Pferd pausieren?
Bei einer normalen Behandlung ohne Auffälligkeiten empfehle ich zwei Tage. Bei Zahnextraktionen oder großen Umstellungen verlängert sich die Pause individuell.
Turnierreiter müssen bedenken, dass die Sedationsmittel dopingrelevant sind. Ein Turnier sollte in den kommenden mind. 14 Tagen daher nicht anstehen!