Im Oktober erreichte eine Krankheit Brandenburg, die die deutschen Tierärzte bisher nur aus dem Virologiekurs im Studium kannten:
Das West Nile Virus.

In Amerika und auch Australien schon lange verbreitet, wurden zwei Fälle bei Pferden im Herbst 2018 in Brandenburg und Sachsen-Anhalt durch das nationale Referenzlabor, das Friedrich-LoefflerInstitut (FLI), bestätigt.

Das Virus der Gattung Flaviviridae (Flavi-Viren) ist ein behülltes RNA-Virus und vor allem Eines: eine Zoonose. Das bedeutet, die Krankheit kann sowohl Menschen als auch Tiere betreffen. Der Hauptwirt sind Vögel; Menschen und Pferde gelten als Fehlwirte. Bei Vögeln wurden bereits früher immer wieder Fälle in den vergangene Jahren in Deutschland gemeldet. In Bayern erkrankte und verstarb 2018 sogar ein Veterinär, der sich wohl bei einem verendeten Vogel angesteckt hatte. Auch aufgrund der Geflügelpest gilt also: Finger weg von toten Vögeln und bei Verdacht das Veterinäramt verständigen!

Denn sowohl ein Verdacht bei Pferden als auch bei Vögeln ist anzeigepflichtig! Das bedeutet im Klartext: Hände weg und das Veterinäramt informieren. Das gilt auch für mich als Tierarzt, wenn ich diesen Verdacht hege.

Pferde und Menschen sind sogenannte „Dead-End Hosts“. Das bedeutet, sie können erkranken ohne dabei selber als Ansteckungsquelle zu fungieren. Da sie sogenannte Fehlwirte sind, bilden sie keine ausreichende Virusmenge im Blut, um diesen über Mücken weiter zu übertragen.

Folgenden Abschnitt zitiere ich vom FLI:
„Die Mehrzahl der WNV-infizierten Pferde entwickeln, ähnlich dem Menschen, keinerlei klinische Symptomatik. Einige Tiere reagieren jedoch mit deutlichen zentralnervösen Ausfallerscheinungen aufgrund von Meningitiden oder Enzephalitiden. Zu den klinisch auffälligen zentralnervösen Störungen zählen Stolpern, Nachhandlähmungen, Ataxien, allgemeine Schwäche, Muskelzittern (Tremor) und Lähmungen. bis zum Festliegen der Tiere.
Die erkrankten Pferde zeigen seltener fiebrige Allgemeinerkrankungen, die neurologischen Symptome überwiegen. Pferde mit klinischen Anzeichen können die Infektion zwar überleben, aber oft behalten bis zu 20 Prozent lebenslang neurologische Schäden zurück.
Eine spezifische Behandlungsmöglichkeit existiert nicht, nur eine symptomatische Therapie ist möglich. Bei 22–44 Prozent der infizierten Tiere kann die Erkrankung tödlich verlaufen.“

Die gute Nachricht ist: es gibt eine Impfung.
Und die eigentlich beste Nachricht: diese schützt sehr gut!

Sollten wir jetzt flächendeckend impfen? Dazu hat die Ständige Impfkommission der Veterinärmedizin Stellung bezogen:
In betroffenen Gebieten sollten Pferde geimpft werden. Pferde, die während der Mückensaison in ein betroffenes Gebiet verbracht werden sollten (zum Beispiel zum Turnier, für einen Lehrgang oder zur Zucht) ebenfalls geimpft werden.Dazu gehört Brandenburg nach dem Ausbruch im vergangenen Jahr definitiv.

Für diesen Beitrag habe ich mich mit Kollegen in den USA und Australien ausgetauscht, die oft mit Fällen konfrontiert werden.
Womit sich die Erfahrungen der Kollegen nicht mit dem FLI decken: die Tödlichkeit der Erkrankung. Treten neurologische Symptome auf, enden die meisten Verläufe laut der behandelnden Kollegen tödlich beziehungsweise werden die Pferde aufgrund ausbleibender Besserung und lebenslimitierender Probleme erlöst.

Einigkeit bestand in zwei Punkten; die Impfung wird gut vertragen und keiner der Kollegen hat bisher ein erkranktes Pferd gesehen, das über einen aktuellen Impfschutz verfügte. Darüber hinaus ist eine gute Mückenprophylaxe angezeigt. Eine gute Übersicht, was zur Vorbeugung noch getan werden könntet findet ihr hier:

https://www.zoetis.de/…/pfer…/west-nil-virus-erkrankung.aspx

Außerdem stellten sie mir netterweise Videomaterial von nachweislich erkrankten Pferden zur Verfügung, was ihr unter diesem Beitrag findet.

Derzeit stehen in Deutschland drei zugelassene Impfstoffe zur Verfügung. Geimpft wird zweimal im Abstand von 3-5 oder 4-6 Wochen. Diese zwei Impfungen sollten vor Beginn der Mückensaison erfolgt sein. Die Stiko Vet empfiehlt die letzte Impfung maximal Ende Mai, was jedoch je nach Wetterlage in Brandenburg etwas zu spät sein könnte.
Aufgefrischt wird dann alle 12 Monate vor Beginn der Mückensaison.

Leider ist der Impfstoff noch sehr teuer (im Vergleich: circa dreimal bis viermal so teuer wie Influenza/Tetanus, circa doppelt so teuer wie Herpes). Je nach Staffelung im Einkauf wird eine einzelne Impfung voraussichtlich zwischen 70 und 90 Euro kosten müssen.

Interessierte Patientenbesitzer bitte ich sich bis Mitte Februar bei mir zu melden. Entsprechend der vorgemerkten Zahlen bestelle ich dann Impfstoff. Je mehr ihre Pferde impfen möchten, desto günstiger wird der Endpreis natürlich.

Und zu guter Letzt beantworte ich euch die Frage, die mir häufig bei Entscheidungen gestellt wird:
„Was würdest du bei deinem eigenen Pferd tun?“
Nicht immer kann ich so eine klare Antwort geben, wie in diesem Fall: Mein Araberwallach Ali FR wird geimpft. Ich bin viel auf Distanzritten in verschiedenen Gebieten unterwegs, fahre zum Training auswärts. Das empfehle ich auch allen Sport- und Wanderreitern, die nicht eingeschränkt in ihrer Gegend bleiben.

Die Videos stammen von der Kollegin Elisabeth Woolsey Herbert aus Australien.

Zu guter Letzt: dieser Beitrag darf gerne geteilt werden. Jegliche Kopie, auch von Auszügen, der Druck oder anderweitige Vervielfältigung verfolge ich jedoch und bestehe auf mein Urheberrecht. Gleiches gilt für die Videos, die ich freundlicherweise verwenden durfte.

Quellen:

https://www.rki.de/…/WestNi…/West-Nil-Fieber_Ueberblick.html

https://www.openagrar.de/…/op…/Steckbrief_WNV-2018-08-31.pdf

https://www.fli.de/…/a…/tierseuchengeschehen/west-nil-virus/

https://www.openagrar.de/…/FLI-Information-FAQ-WNV-20180904…

https://www.aerztezeitung.de/…/deutschland-tierarzt-west-ni…